Heimat – eine Grenzerfahrung

heimat-eine-grenzerfahrungDer Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen. Der Begriff „Heimat“ steht in einer speziellen Beziehung zum Begriff der „Siedlung“; dieser bezieht sich, und damit im Gegensatz zum Wohnplatz, in der Regel auf eine sesshafte Lebensform, d. h. auf ein dauerhaftes bzw. langfristiges Sich-Niederlassen und Wohnen an einem Ort bzw. in einer Region

Wir sichern uns die Heimat nicht durch den Ort, wo, sondern durch die Art, wie wir leben.
Georg (Karl Friedrich Theodor Ludwig) Baron von Örtzen

Was macht bei Ihnen Heimat aus? Freunde, Familie, Haustier, Verein, Schulkameraden, Freundinnen, Jogging- und Bikegelände, Bus- und Eisenbahnstationen, vertrautes Freizeitangebot, Kino, Markt, Dorflädeli, Shopping-Center, Partei, oder was? Was verlieren wir davon bei einem Zusammenschluss mit Nachbargemeinden? Ist es wirklich die Gemeindeversammlung? Wie viele Male waren Sie in den letzten 5 Jahren dort?

Oder ist es der Wald?
Nicht wo du die Bäume kennst,  wo die Bäume dich kennen, ist deine Heimat.      aus Sibirien

Mit der Diskussion um den Zukunftsraum, der Prüfung von Fusionen sind die Heimatdiskussionen wieder in jedem Munde. Aber so einfach ist dieser Begriff nicht: Was macht ihn aus? Warum klammern sich heute wieder mehr Leute daran?

Heimat entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Verbundenheit, durch Anteilnahme und durch Mitwirkung.
© Moritz Leuenberger

Wir gehen auf Heimatsuche! Nein nicht in Suhr, sondern in Lenzburg. Prüfen Sie Ihren Heimatbegriff, Ihre Verbundenheit mit der Heimat in Suhr; über ihre Angst, Heimat zu verlieren, bei einem Zusammenschluss mit dem grösseren Aarau.

Wir reden aktuell viel über Heimat. Über verlorene Heimat, über neue Heimat und über eine Heimat, die vielleicht nie mehr so sein wird, wie sie einmal war. Aber was macht Heimat aus? Wie viel Heimat brauchen wir? Und welche Heimat wollen wir?

 Ab dem 11. März 2017 lädt Sie das Stapferhaus Lenzburg mit Ihrer Gruppe dazu ein, in einem interaktiven HEIMAT-Parcours auf über 1500 Quadratmetern Ihre eigenen Heimatgefühle zu erkunden. Erleben Sie eine lustvolle und spannende Reise von inneren zu äusseren Grenzen und entdecken Sie dabei sich und die Welt neu. Stapferhaus: http://www.stapferhaus.ch/gruppen

Gerne knüpfen wir mit dem Leitbild für ein neues Aarau über unsere Erfahrungen mit Heimat an.

 

Der Zukunftsraum kann und muss sich beweisen

Siedlungsraum Region AarauNa also; das echo ist erleichtert, dass eine Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmberechtigten in Suhr Fakten will über die Frage der Fusion mit Aarau und nicht ohne Argumente bereit ist, dieses Thema zu versenken. Das ist gut so, das ist zweifellos richtig und vernünftig. Es ist auch bei einer Stimmbeteiligung von immerhin 48% weit besser abgestützt als der Entscheid der Gemeindeversammlung mit 7% Teilnehmer. Dass aber viele Suhrerinnen und Suhrer zögern, ist gleichwohl beachtenswert: 48% NEIN sind nicht zu ignorieren; das echo hat die fehlenden Argumente und die etwas plakative Herzli-Kampagne von Pro Suhr etwas belächelt. Aber 48% sind mehr als die Ortsbürger, als Nostalgiker. Damit hat man sich auseinanderzusetzen!  Man will das Bestehende nicht aufgeben, ohne zu wissen, wie es dann kommen würde. Das ist richtig und anzuerkennen. Der Zukunftsraum Aarau wird sich noch erklären und beweisen müssen. Das echo hat das Vorgehen des Gemeinderates Suhr, den ganzen Prozess in intensivem Einbezug der Bevölkerung zu führen, immer begrüsst. Er erweist sich heute als völlig richtig.

Aber dann müssen auch von den Gegnern Argumente auf den Tisch! Wir müssen Antworten auf die Frage finden, wie die öffentliche Hand die Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung am idealsten abdecken kann. Dazu brauchen wir Definition der Bedürfnisse ohne gewisse Bevölkerungsgruppen auszuschliessen und dann eine Optimierung der Kosten – Nutzenverhältnisse und eine Überprüfung der Mitwirkungsmöglichkeiten oder der demokratischen Legitimierung der Entscheide der öffentlichen Hand.

Vielleicht müssen wir uns aber auch einmal über Heimat unterhalten: Was macht die Heimat, Verbundenheit mit Menschen aus, was erscheint gefährdet und wie können wir das erhalten, das uns wichtig ist.

Dann muss man auch aufhören, alle zu verteufeln, die in eine Fusion als prüfenswerte Möglichkeit, vielleicht auch als eine langfristig bessere Lösung für Suhr sehen. Und auch umgekehrt müssen Fusionsturbos ernst nehmen, dass es vielen Personen Mühe macht, sich Veränderungen in der Gemeindelandschaft (positiv) vorstellen zu können. Das Thema ist zu wichtig für Parteiengezänk. Die Diskussion muss geführt und versachlicht werden; Herzli allein genügen nicht, sie sind aber auch nicht ehrenrührig, wenn sie das Gefühl ausdrücken, dass man sich in grösseren Einheiten weniger geborgen fühlt. Der Präsident der SVP Suhr hat erste Argumente genannt (Die Kosten würden steigen…, die Gemeindeversammlung geht verloren), das sind zumindest Ansätze zu einer Argumentation, die in den nächsten Monaten zu vertiefen sein werden.

Dieser Prozess mit einem sachlichen Austausch der Argumente aber auch mit einer Vertrauensbildung wird dann auch mehr und mehr überregional zu führen sein. Wir werden einmal mit den Aarauern und Entfelder zusammensitzen müssen, um zu sehen, ob wir wirklich so verschiedene Erwartungen haben, ob wir wirklich so verschieden sind. Wir werden einmal die Erfahrungen von Rohr im neuen Aarau von verschiedenen Exponenten anhören müssen, nicht nur von allen das herausgepickt, das den eigenen Standpunkt stützt.

Die heutige Gemeindelandschaft war nicht immer so wie heute, sie wird auch nicht immer so sein. Wann der Zeitpunkt für Veränderungen richtig ist und wie man eingreifen soll, ist jetzt zu diskutieren. Das echo nimmt die Herausforderung gerne an und wird den Leitbildprozess, wenn er dann nach dem Urnenentscheid auch von Unterentfelden anläuft, gerne begleiten.

„Ich bin ein Suhrer“

„Ich bin ein Berliner“ sagte Kennedy in seiner historischen Rede 1963, um dem damals noch isolierten Berlin seine Verbundenheit kundzutun. Ja, so schmückt sich auch das echo mit derart geschichtsträchtigen Worten, um einmal entgegen aller Mutmassungen klarzustellen, dass ihm etwas an Suhr liegt, dass es mit Suhr verbunden ist, und nicht zufällig seinen Blick vom Suhrer Wahrzeichen auf die Geschehnisse im Dorf richtet.

Ja, wer länger hier wohnt, entwickelt eine Verbundenheit mit diesem Wohnort, seinen Nachbarn, den Schulen und den dort gewonnen Freundschaften. Den Vereinen, wo die Freizeit teilweise verbracht wird, aber auch mit der geliebten Joggingstrecke, dem täglichen Hundeauslauf, dem Bikeweg. Aber auch mit den Waldhütten, den Beizen und Restaurants, der Bärenmatte und den Kirchen. Vielleicht sogar mit den überlangen, nur teilweise lustigen und unterhaltsamen Gemeindeversammlungen entwickelt man eine Sympathie, einmal mehr und einmal weniger. Überall, wo man Erinnerungen hat, wo man schöne oder auch weniger schöne Erlebnisse hatte, die einen prägten, zu dem machten, was man ist.

Ja, der Versuch, Heimat zu beschreiben, ist nicht ganz so einfach. DeutschlehrerInnen haben ganze Generationen von Schülern schon mit derartigen Aufsatzthemen gequält.

Aber das echo muss hier klarstellen, dass diese Heimat, diese Verbundenheit mit der nahen Umgebung und vor allem seinen Bewohnern auch nach Jahren des gleichen Wohnortes nichts zu tun hat mit der Frage, in welchem Gemeinwesen sich die Bedürfnisse der Bevölkerung am optimalsten (qualitativ gut und zu tragbaren Kosten) befriedigen lassen. Die Gemeindegrenzen sind heute vielfach überholt. Die Verkehrsmittel haben sich in den letzten 30 Jahre in einer Art entwickelt, die uns neben verstopften Strassen auch ein Vielzahl von Möglichkeiten geben, unsere Bedürfnisse auch in einem weiteren Umfeld zu decken. Kommunikationsmittel wie Computer, Internet und Mobiltelefone haben neue Verhaltensweisen ermöglicht und neue Bedürfnisse geschaffen. Die Dörfer und Städte sind zusammengewachsen, Wohn- und Arbeitsorte liegen oft weit voneinander entfernt; die Bedeutung des Dorfes ist nicht mehr dieselbe, wie früher! Gerade im Berufspendlerverkehr, den Freizeitbedürfnissen gehen heute viele Leute auch in Suhr andere Wege als noch in den letzten Jahrzehnten. Die Bedürfnisse sind markant anders geworden.

So tun als wäre das nie geschehen, ist nicht einfach schwärmerische Romantik. Es behindert und verhindert eine Entwicklung der Region. Eine Entwicklung, die die Dienstleistungen der öffentlichen Hand kontinuierlich den Bedürfnissen der Einwohner anzupassen hat. Anpassen müssen wir unseren Heimatbegriff, ihn lösen von der Gemeinde als Verwaltungseinheit als politische Organisation. Unser Verhältnis zum dörflichen Lebensraum müssen wir nicht über Bord werfen, verleugnen, aber uns bewusst werden, was uns denn wirklich nahe ist und ans Herz gewachsen ist. Heimat müssen wir trennen von der Gemeindeorganisation, an die wir uns zwar gewöhnt haben, die aber nicht wirklich unser soziales Netz verkörpert. Obama knüpfte bei seinem Besuch in Berlin zwar an die historischen Worte Kennedys an. Aber auch Berlin 2008 war nicht Berlin 1963; und Obama sah schon vor seiner Wahl mehr denn je auch Veränderungsbedarf. Veränderungen sind möglich, Yes we can. ……………..Ja, ich bin ein Suhrer, aber Suhr ist nicht mehr, was es war.

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